Die aktuelle Situation spricht für sich: Laut aktuellen Erhebungen wurde bereits jedes zweite mittelständische Unternehmen in Deutschland Opfer eines Cyberangriffs. Die finanziellen Schäden belaufen sich inzwischen auf mehrere hundert Milliarden Euro – jährlich. Und das Beunruhigende: Fast 80 Prozent der erfolgreichen Angriffe hätten durch bessere Abstimmung zwischen Abteilungen verhindert werden können.
Die unbequeme Wahrheit: Es reicht nicht mehr, nur auf Abwehrmaßnahmen zu setzen. Die Frage ist nicht, OB ein Unternehmen angegriffen wird, sondern WANN – und wie schnell es sich davon erholen kann.
Eine wichtige Frage für jedes Unternehmen: Wie lange würde es überleben, wenn morgen alle Systeme ausfallen? Einen Tag? Eine Woche? Einen Monat?
Was bedeutet Cyber-Resilienz wirklich?
Wenn klassische IT-Sicherheit darauf abzielt, Eindringlinge fernzuhalten, geht Cyber-Resilienz einen entscheidenden Schritt weiter: Sie bereitet Unternehmen darauf vor, einen erfolgreichen Angriff zu überstehen und schnell wieder handlungsfähig zu sein.
Cyber-Resilienz definiert: Die Fähigkeit eines Unternehmens, Cyberangriffe zu antizipieren, zu widerstehen, zu bewältigen und sich von ihnen zu erholen – ohne die Geschäftskontinuität zu gefährden. Für den Mittelstand ist dieser Ansatz besonders wichtig. Anders als Großkonzerne haben mittelständische Unternehmen nicht die Ressourcen, sich hinter millionenschweren Sicherheitsarchitekturen zu verschanzen. Aber sie können agil und anpassungsfähig sein – wenn sie die Silos aufbrechen. Treffend ist der Vergleich mit einem Immunsystem: Es geht nicht nur darum, Krankheitserreger abzuwehren, sondern auch darum, wie schnell man sich erholt, wenn man doch einmal krank wird.
Silodenken im Mittelstand: Die unsichtbare Gefahr
Was genau bedeutet „Silodenken“? Man stelle sich ein Unternehmen vor, das aus mehreren separaten Türmen besteht. In einem sitzt die IT, im anderen das Management, im dritten die Produktion. Jeder Turm hat seine eigenen Regeln, Prioritäten und Kommunikationswege.
Typische Beispiele für dieses Silodenken im Mittelstand sind:
- IT-Abteilung implementiert Sicherheitsmaßnahmen ohne Rücksicht auf Arbeitsabläufe der Fachabteilungen
- Geschäftsführung trifft Entscheidungen über digitale Transformation ohne IT-Sicherheitsaspekte zu berücksichtigen
- Fachabteilungen nutzen Schatten-IT, weil offizielle Lösungen zu umständlich erscheinen
- Externe Dienstleister erhalten Zugriff auf Systeme ohne ausreichende Sicherheitsüberprüfung
Die Folgen dieser Isolation sind gravierend:
- Blinde Flecken: Wenn Abteilungen nicht kommunizieren, entstehen Sicherheitslücken, die niemand auf dem Radar hat.
- Ineffiziente Reaktion: Bei einem Angriff weiß niemand, wer wofür verantwortlich ist, und wertvolle Zeit geht verloren.
- Fehlinvestitionen: Teure Sicherheitssysteme bringen wenig, wenn sie nicht in Geschäftsprozesse integriert sind.
- Compliance-Risiken: Gesetzliche Anforderungen werden übersehen oder unzureichend umgesetzt.
Ein anschauliches Beispiel:
Während sich das Unternehmen über seine neue Firewall freute, blieb ein anderer Zugang unbeachtet: Wartungstechniker konnten ungehindert über ungesicherte Fernzugänge auf die Produktionsanlagen zugreifen. Ein typischer Fall von Silodenken im Mittelstand.
Aktuelle Herausforderungen: Der perfekte Sturm für den Mittelstand
2025 steht der Mittelstand vor einem „perfekten Sturm“ an Cybersicherheits-Herausforderungen:
KI-basierte Angriffe werden raffinierter
Die Demokratisierung von KI hat nicht nur positive Seiten. Cyberkriminelle nutzen heute KI-Tools, um Phishing-Mails zu perfektionieren, die von echten Nachrichten kaum zu unterscheiden sind. Eine mittelständische Bank berichtete kürzlich von einer Attacke, bei der KI-generierte Sprachnachrichten des vermeintlichen CFOs eine Überweisung von 200.000 Euro auslösten.
Ransomware wird gezielter
Die Zeit der Massenangriffe ist vorbei. Moderne Ransomware-Gruppen recherchieren ihre Opfer sorgfältig und passen ihre Lösegeldforderungen genau an die finanzielle Situation des Unternehmens an. Erschreckend: Die durchschnittliche Verweildauer von Angreifern in Systemen beträgt 11 Tage, bevor sie zuschlagen.
Neue gesetzliche Anforderungen erhöhen den Druck
Mit der kommenden NIS2-Richtlinie und dem Cyber Resilience Act steht der Mittelstand unter enormem Compliance-Druck. Besonders brisant: Geschäftsführer können persönlich haftbar gemacht werden, wenn sie keine angemessenen Cybersicherheitsmaßnahmen implementieren.
Der Fachkräftemangel verschärft sich
Während die Bedrohungen zunehmen, wird qualifiziertes IT-Sicherheitspersonal immer rarer. Ein typischer Mittelständler kann sich keinen vollzeitigen CISO (Chief Information Security Officer) leisten — geschweige denn ein ganzes Sicherheitsteam.
Viele Geschäftsführer kennen das: „Unser IT-Leiter ist ein Alleskönner. Er kümmert sich um alles von der ERP-Implementierung bis zur Cybersicherheit. Aber ehrlich gesagt: Das kann auf Dauer nicht funktionieren.“